Verbannung von Bon Rapareiller im Jahre 1567

Im Kirchenbuch von St. Nicoles in Valenciennes sind zwischen 1578 und 1604 acht Taufen von Kindern eines Jean Raparlier/Rapareillet aufgeführt. Eine Anfrage beim Archiv der Stadt Valenciennes nach dem möglichen Bürger- recht des Vaters ergab, dass „Register der Zulassung zum Bürgerstand“ zwar in der Stadtbibliothek aufbewahrt wurden, aber daß wegen des Fehlens von Namenverzeichnissen keine Auskunft gegeben werden kann. Ein Hinweis des Archivare besagte, daß im Archiv des Département du Nord in Lille eine Liste mit den Namen der aus religiösen Gründen zur Verbannung Verurteilten aufbewahrt würde, darunter war ein „Bon Rapareiller“.

Quelle: Archiv des Département du Nord in Lille

Nach Erhalt der drei Blätter dieser Liste aus Lille, Kopien vom 10. 2. 1984, fol. 344 (Anfang), 547 (angefordert), 350 (Ende der Liste), brachte die Durchsicht der Namen eine Überraschung. Diese Liste wird angeführt von „Peregrin de la Grange“ und „Guy de Bray, ministre“, den berühmten Führern und Martyrern der protestantischen Bewegung, zuletzt in Valenciennes und Umgebung, den Verfassern des Reformierten Glaubensbekenntnisses, bekannt als „Confessio Gallicana“, die durch ihr Wirken in den Spanischen Niederlanden und Nordfrankreich wesentlich zur Verbreitung der Reformation beitrugen. Beide sind mit einem weiteren Einwohner von Valenciennes, zusammen mit einer anderen Gruppe als zu exekutieren aufgeführt, die übrigen waren zur Verbannung bestimmt. Ebenfalls überraschend war, daß bei einem Vergleich der Namen mit denen des Kirchenbuchs von Guines (https://archive.org/details/transcriptofregi3166egli) aus den Jahren 1666 bis 1685 sich herausstellte, daß etwa die Hälfte der Familiennamen aus der Liste der Verurteilten in genau derselben oder geringfügig abweichender Schreibweise in der Namenliste des Kirchenbuchs wieder auftauchen. Ähnliches ist wohl auch von den fehlenden vier Blättern der Liste zu vermuten.

Quelle: Archiv des Département du Nord in Lille

Der Auszug der Namenliste stammt, wie das Schreiben aus Lille besagt, aus dem Dokument, das den Einzug der Güter aus Hainaut-Valenciennes (1. 1. 1571 -31.12.1574) behandelt. Die Hinrichtung der Märtyrer erfolgte im Mai 1567. Aus all dem ergeben sich eine Reihe von neuen Perspektiven.

Quelle: Archiv des Département du Nord in Lille

Nach dem Reaman-Buch, das über den amerikanischen Zweig der Familie Raparlier und seine europäischen Vorfahren berichtet, sollen Eltern und Großvater unseres ersten Auswanderers nach Amerika von 1624, Joris Janssen Rapalje (in holländischer Schreibweise), nach Zerstörung ihrer Vaterstadt Valenciennes im Jahre 1567 nach England geflohen sein, um sich nach der Rückkehr in Leiden niederzulassen, wo Joris Janssen Rapalje geboren sein soll. Nachdem die neuerliche Nachprüfung jedoch ergeben hatte, daß der Auswanderer nicht in Leiden, sondern in Valenciennes geboren ist, wurde von amerikanischer Seite der gesamte Inhalt des Reaman-Berichtes weitgehend angezweifelt. In diesem hieß es weiter: „Jene ehrwürdigen Märtyrer, die Verfasser des Reformierten Glaubensbekenntnisses, …, Peregrine de la Grange und Guido de Bray, Prediger in Valenciennes, die Freunde und wahrscheinlich auch Verwandte der Familie Raparlier waren, fanden den Tod und die himmlische Krone im Jahre 1567“.

Die Liste der Bestraften zeigt, daß Bon Rapareiller zu gleicher Zeit, zusammen mit den Martyrern verurteilt wurde, also zumindest zu seinen engen Anhängern zählte, die sich im Kampf gegen die spanische Obrigkeit in der Stadt hervorgetan hatten.

Einigen Protestanten könnte durchaus die Flucht nach England und die spätere Rückkehr nach Valenciennes gelungen sein. Es ist auch möglich, dass die Verurteilten des Landes verwiesen wurden. Von Bon Rapareiller weiß man, dass er am 21. Dezember 1567 in England am Abendmahl teilgenommen hat.

Wiederum andere waren vielleicht vorsichtiger und machten sich weniger verdächtig. Dazu gehörte Jean Rapareillet, der Vater von Joris Janssen Rapalje, der seine Kinder wohl durch die Ereignisse von 1567, die auch einen Verwandten betroffen hatte, zur vorsicht genötigt zwischen 1578 und 1580, sowie zwischen 1594 and 1604, vermutlich aus zwei Ehen, durch einen Priester der katholischen Kirche St. Nicolas in Valenciennes taufen ließ. In dierer Zeit gab es vermutlich nur zwei Möglichkeiten der reformierten Taufe: entweder mußte man sich nach Middelburg (auf der Insel Walcheren) begeben oder einen sympathisierenden und diskreten katholischen Priester finden. So hielten sich im Zeitraum von 1595 bis 1671 Angehörige der Familien Raparlier, die in der Umgebung von Valenciennes oder in Celle (Belgien) geboren waren, als Mitglieder der Wallonischen Kirchengemeinde in Middel-burg auf.

Im zweiten Fall, also der Taufe durch einen katholischen Priester, mußte allerdings der Name der Mutter des Kindes geheim bleiben. Das heißt also, daß die Kinder als unehelich geboren eingetragen wurden. Der Priester durfte die „ketzerische“, reformierte Ehe nicht anerkennen, um auf diese Weise die Familie und sich selbst vor Strafe zu schützen. Somit sind alle acht Kinder als unehelich geboren registriert. Der Archivar des Stadtarchivs von Valenciennes teilte mit, daß er derart viele, zu jener Zeit als unehelich eingetragene Kinder gefunden hätte, daß dies nicht den Tatsachen entsprechen könnte und er sich daher ebenfalls die obige Ansicht zu eigen machen müßte.

Unklar ist noch, ob die Strafe der Verbannung den Transport an einen Verbannungsort, z. B. nach Spanien, zur Folge hatte oder ob sie bedeutet, daß die Verurteilten des Landes verwiesen wurden. Im letzten Fall würde es eine Abschiebung aus den Spanischen Niederlanden (Hainaut = Hennegau) über die Grenze nach Frankreich bedeuten. Da die Verurteilung 1567, der Einzug der Güter zwischen 1571 und 1574 erfolgte, müßten die Verurteilten zunächst im französischen Grenzgebiet zum Hennegau gelebt haben. Bei Durchsicht des „Terrier de Miraumont“, des Grundbuchs für das Pays reconquis von 1582/87 in der Stadtbibliothek von Calais fand sich kein Name von Vorfahren der Familie Raparlier oder ihren Verwandten. Demnach sind diese erst danach, vielleicht sogar erst Anfang des 17. Jahrhunderts in der Gegend um Guines aufgetaucht.

Das Büchlein von Lorenz Max Rheude: Heraldica curiosa, Papiermühle 1910, enthält das Wappen der Familie de la Raparlier, in Silber eine schwarze Ratte im Nest, mit einer Notiz unbekannter Herkunft, wonach die Familie spanischen Ursprungs im 16. Jahrhundert in die Niederlande auswanderte.

Quelle: https://www.google.de/books/edition/J_Siebmachers_grosses_und_allgemeines_Wa/5GlaAAAAcAAJ?hl=de&gbpv=1

Nach anderen Quellen (z. B. Reaman) soll sie im 11. Jahrhundert in der Bretagne ansässig gewesen sein. Gaspard Colet de la Raparlier, geboren 1505 in châtillon-sur-Loir (oder Loing?), Oberst der Infanterie, soll a Protestant 1548 nach Antwerpen geflohen sein, also in die Spanischen Niederlande. Bon Raparlier (Rapareillet) aus Valenciennes kam, moglicherweise durch Ausweisung, wieder nach Frankreich zurück. Es ist jedoch nicht erwiesen, daß er es war, der sich im Pays reconquis ansiedelte. Es könnte sich auch um ein anderes Familienmitglied gehandelt haben, das noch in Valenciennes lebte und erst Anfang des 17. Jahrhunderts auswanderte. Auffällig ist jedoch, daß derartig viele Familiennamen der 1567 verurteilten selbst der Hingerichteten, nach hundert Jahren im Kirchenbuch von Guines wieder auftauchen, so daß man hier einen Zusammenhang vermuten muß. Die Quelle der Wappen-Notiz ließ sich bisher nicht ausfindig machen, so da die ursprüngliche Herkunft des Geschlechts de la Raparlier weiterhin ungewiß ist.

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